Advent 2015 Impuls

 

Advent – was soll mir das?

Wenn wir in den Tagen des Advents die alttestamentlichen Texte in den Gottesdiensten hören, so kommen mir diese in diesem Jahr aktueller denn je vor.

Vom „Volk, das im Finstern lebt und auf ein Licht wartet“, ist da die Rede und überhaupt kommt der in der Finsternis entstehenden tiefen Sehnsucht eine große Bedeutung zu. Ich erlebe sehr viel Finsternis in diesen Tagen – der Pegidamob, der sich austobt mit menschen- und religionsfeindlichen Parolen, auf einer ähnlichen Stufe, nur gewaltbereiter der „IS“, der den Koran verfälscht und eigentlich nur eine machtgierige, narzistische Bewegung ist, ähnliche Bewegungen in Mali und Nigeria, der ewige Unfrieden im sogenannten Heiligen Land, die Gleichgültigkeit vieler Deutscher ihrer Demokratie gegenüber, das seltsame Schweigen vieler Menschen…

Ja – viel Finsternis, das die Sehnsucht nach Licht tiefer und tiefer werden lässt.

Nach einem Licht, das in der Menschenfreundlichkeit der Begegnung mit geflüchteten Menschen durchaus auch schon in dieser Zeit aufleuchtet.

 

Advent – was soll mir das?

Zu meinen Vorbildern, an denen ich mich gerne orientiere, gehört auch der Jesuit Alfred Delp. In einer Zeit größter Not, er saß in einer Gefängniszelle und wartete auf seine Hinrichtung, schrieb er mit gefesselten Händen seine Meditationen, die auf geheimen Wegen aus der Haftanstalt Tegel geschmuggelt wurden.

Er widmet sich darin besonders auch des Advents und schreibt:

 

Advent ist eine Zeit der Erschütterung,

in der der Mensch wach werden soll zu sich selbst.

Die Voraussetzung des erfüllten Advent ist der Verzicht auf die anmaßenden Gebärden und verführerischen Träume, mit denen und in denen der Mensch sich immer wieder etwas vormacht. Er zwingt so die Wirklichkeit, ihn mit Gewalt zu sich zu bringen, mit Gewalt und viel Not und Leid.

Das erschütterte Erwachen gehört durchaus in den Gedanken und das Erlebnis des Advents. Aber zugleich gehört viel mehr dazu. Das macht ja die heimliche Seligkeit dieser Zeiten aus und zündet das innere Licht in den Herzen an, dass der Advent gesegnet ist mit den Verheißungen des Herrn.

Die Erschütterung, das Aufwachen: damit fängt das Leben ja erst an, des Advents fähig zu werden.

Gerade in der Herbheit des Aufwachens, in der Hilflosigkeit des Zusichselbstkommens, in der Erbärmlichkeit des Grenzerlebnisses erreichen den Menschen die goldenen Fäden, die in diesen Zeiten zwischen Himmel und Erde gehen und der Welt eine Ahnung von Fülle geben, zu der sie gerufen und fähig ist.


Advent – was soll mir das?

Ich glaube, Alfred Delp gibt mir eine gute Anwort!

In den adventlichen Liedern, die wir so gerne singen, ist von „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, von „In hartem Weh die Menschheit klagt““, von „Wo bleibst Du, Trost der ganzen Welt“ und – als Hoffnungsbotschaft – von „Kündet allen in der Not, fasset Mut und habt Vertrauen, bald wird kommen unser Gott, herrlich werdet ihr ihn schauen. Allen Menschen wird zuteil, Gottes Heil“ die Rede.

Sehnen wir uns nach diesem herunterkommenden Gott und erspüren wir dir goldene Fäden, die in dieser adventlichen Zeit zwischen Himmel und Erde gespannt sind.

Eine wachsame und mit innerer Sehnsucht erfüllte adventliche Zeit

wünscht Thomas Ries

Hochschulseelsorger