Nun strebt sie ihrem Höhepunkt zu, die „fünfte Jahreszeit“. Nur noch wenige Tage bleiben, um sich in das ausgelassene Treiben der Narren zu stürzen. Und dann ist „am Aschermittwoch alles vorüber“, wie es im Schlager heißt – oder?
Der „Kehraus“ am Faschingsdienstag macht es jedes Jahr deutlich: Es gibt eine Zeit für Spaß und Vergnügen, es gibt aber auch eine Zeit für Nachdenken und Stille. Beides gehört zum Leben.
Aber vielleicht ist der Umbruch gar nicht so groß, wie man meint. Auf ihre je eigene Weise haben Fasching und Fastenzeit dasselbe Anliegen: Sie durchbrechen den Alltag und stellen die Dinge auf den Kopf. Kinder oder Narren übernehmen vielerorts im Land die Rathausschlüssel, um zumindest symbolisch zu zeigen: Es geht auch anders. Wir sind es gewohnt, dass die einen oben an der Macht sind und die anderen unten im Volk – aber auch die „Kleinen“ sind wichtig. Das kennen wir auch aus der Bibel: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ singt das jüdische Mädchen Maria, als ihr bewusst wird, was Gott mit ihr und ihrem Kind vorhat. In unserem Glauben geht es um nichts weniger als um eine neue Weltordnung.
Ganz so ernst meinen wir es im Fasching oder Karneval denn doch nicht. Es ist nur ein oberflächlicher Umbruch, es sind nur ein paar Tage, an denen scheinbar alles anders wird – und wir zelebrieren dieses „Andere“ im Wissen, dass wir wieder zur „guten alten“ Ordnung zurückkehren werden.
Dennoch kann diese Zeit, wenn sie gut gestaltet wird, eine reinigende und klärende Wirkung haben. Denn sie macht ein kleines Fenster auf und zeigt, wie es auch anders gehen könnte. Eine gute Büttenrede hält den Menschen einen Spiegel vor. Fasching, Fastnacht, Karneval: Sie zelebrieren die Eitelkeiten der Welt – oder auch des jeweiligen Chefs, der dem Betriebsfasching notgedrungen beiwohnen muss – in übertriebener und lächerlicher Form, im besten Falle, um sie zu entlarven. Wer gut zuhört, der wird vielleicht bescheidener und aufmerksamer.
Auch die Fastenzeit will ein solcher Spiegel sein. In der Fastenzeit geht es uns Katholiken nicht um exzessive Bußübungen oder darum, besonders fromm zu werden. Es geht vielmehr darum, zu entdecken, wer wir wirklich sind – jenseits der Oberflächlichkeit und Eitelkeit, jenseits des Konsums, der uns oft von den eigentlichen existentiellen Fragen unseres Lebens ablenkt. Die Fastenzeit lädt uns ein, „anders“ zu werden und gerade darin mehr „ich selbst“ zu sein.
Die Fastenzeit ist aber kein Zerrspiegel wie der Fasching, der unsere Ecken und Kanten hervorhebt und lächerlich macht; es geht nicht darum, uns bloßzustellen. Sie ist vielmehr die Einladung, dass wir durch den Verzicht auf Dinge, die uns ablenken und belasten (und durch bewusst frei gehaltene Zeit für Stille und Gebet) uns selbst klarer sehen: so wie im Spiegel einer Wasseroberfläche, die erst dann ein klares Bild zeigt, wenn sich die Wellen verlaufen haben und alles still geworden ist. Erst dann sehen wir, wie es wirklich um uns bestellt ist.
Vielleicht sehen wir auch mehr als das: Vielleicht sehen wir, dass Einer mit uns in den Spiegel schaut – und uns dabei samt unseren Fältchen und Narben liebevoll anblickt. Vielleicht hören wir ihn sagen: Du bist schön, so wie du bist. Ich habe alles gut gemacht – auch dich.
Eine fröhliche Faschingszeit und eine fruchtbare und reiche Fastenzeit wünscht Euch und Ihnen
PR Barbara Göb, Hochschulseelsorgerin an der KHG Bayreuth